Einleitung

 

ELEMENTGLAS

MATERIE DER IMAGINATION

ZEITGENÖSSISCHES GLAS
VYSOČINA, SÜDBÖHMEN, NIEDERÖSTERREICH

 

Bildende Kunst, Kunsthandwerk, Design; drei Regionen. Viele Orte und viele Auffassungen; Respekt und Achtung vor Handwerk, Hingabe für das Material, experimentelle Wege – das Glas ist ein Magma im Herzen von Glasmachern und Glasformgestaltern, es ist ein Element ihrer Persönlichkeiten, das selbst ins „Leben“ durch Rohstoffe der Erde und die Kraft des Feuers gerufen wird. Gerade dieses Verhältnis zur Materie ist für auf der Ausstellung vertretene Autoren gemeinsam: sie halten das Glas für einen lebenden Organismus, der genau zu verstehen ist.

Jedoch nicht nur Mediumsverstädnis und Geschicklichkeit in der Arbeit stellen eine einzige Verbindungslinie dar. Hier wird keine „grundlegende“ Schönheit von Glas, das sowohl in einer rohen als traditionell handwerklichen Gestalt – ähnlicher Weise wie Holz oder Stein – bezaubernd ist, vorgestellt. Die Ausstellung bietet eine Sicht der gegenwärtigen Gesinnung bezüglich des Glases, der Werke von Künstlern, die das Glas für eins von mehreren Übertragunsmedien für ihre Ideen halten, der Designer, die ein hohes Niveau böhmischer angewandter Kunst ständig erhalten und wiederherstellen.

Die vertretenen Glashütten stellen das alte Handwerk im Einklang mit neuen Ideen, Entwürfen und Techniken vor. Handwerks- und Designwerke entstehen am häufigsten durch Formen unmittelbar an geöffneten Öfen in den Glashüttenhallen. Glasmacher blasen gegebene Formen mittels einer Glasmacherpfeife unmittelbar aus freier Hand oder sie blasen sie in eine Form. Die meisten Glashütten bemühen sich in diesem anspruchsvollem Bereich dank ihren Spezifika wie einzigartige Farbe, Behandlung (Überfangs-Kristallglas mit Farbglasmasse und mit Durchschleifen in die untere Schicht dekoriert, der Dekor entsteht durch Mischen von Farben im warmen Zustand unmittelbar in der Glashütte), ausgeprägte Spezialisierung (zum Beispiel aus Leuchtkörper) oder neue Vorgänge (Sonderrecycling von Splittern, die unmittelbar in die Gestalt von Belag- oder Dekorationsplatten verschmolzen werden) sind, Erfolg zu haben. Einen Sondertyp von angewandten Gegenständen stellen Vasen dar. Eine Glasvase scheint eine Fortsetzung des Lebens einer Pflanze oder eine Hülle der Natur doch vom Menschen geschaffen zu sein. So sieht man sich die Naturformen nachahmenden Vasen auf der Ausstellung an, manche sind auch unmittelbar in den Naturformen (Blasen der Glasmasse in eine Form aus Baumrinde) abgedruckt.

Wie beweisen es ausgestellte Werke, das Glas ist ein Material, das Vorstellungsvermögen benötigt und Einbildungskraft bietet. Das Vorstellungsvermögen ist ein Arbeitsinstrument, das uns ermöglicht, hinter einen manchmal mehrstufigen Fertigungsprozess von Modellen und Formen bis zum Endobjekt zu sehen. Die Einbildungskraft erschließt einen Lichtraum im Inneren der Glasplastik und zielt auf ein Experiment hin. Ein Glasgestalter verfolgt nicht nur Bildhaueraspekte wie Maßverhältnisse, Volumen und Oberfläche, sondern auch das Verhalten der Masse sowohl im Inneren als auch im Außenbereich. Im Glas werden Naturelemente (Elemente und Urstoffe), kosmische Prozesse und Himmelskörper, auch abstrakte Vorstellungen durch Vermittlung der Einbildungskraft geprägt und erhalten. Man kann in den während ihrer Bewegung angehaltenen Blasen und Schleiern einen Sturm, Windstoß oder glühenden Planetenkern in der Glasmasse-Umlagerung ablesen. Wir werden durch eine Raumtiefe, einen Pass zwischen der Wirklichkeit und der Imagination, eigene Gedanken geführt. Trifft man mit einer bildlichen Darstellung von Figuren oder Porträts, handelt es sich um eine symbolische, imaginäre oder ideale Abbildung und dementsprechende Hautdurchsichtigkeit. Anthropomorphe Plastiken heben Feinheit und Weichheit des Körpers und den Pulsschlag unter seiner Oberfläche hervor.

Beim Schaffen der ausgestellten bildenden Objekte angewandte Techniken sind mannigfaltig. Am häufigsten ist die geschmolzene Plastik vertreten: eine Form wird nach einem Modell abgegossen und sie wird mit Glasstücken gefüllt. Sie werden in einem geschlossenen Ofen zerschmolzen. Nach einer allmählichen Abkühlung ist die Plastik für die folgende Behandlung bereitgestellt: sie wird zum Beispiel geschliffen, graviert, entglänzt oder poliert. Weitere Arbeiten erfolgen durch Hinlegen von Glas, Formgestaltung von Glastextilien oder die Zusammensetzung von Mosaikteilchen – Tesser. Eine Glasunterlage kann auch eine Malerleinwand ersetzen und darüber hinaus wird der Fassungsraum von Schichten dank dem Durchscheinen zusammengezählt. Glashüttenwesen und Malerkunst (ebenfalls Zeichnung, Graphik) sind im Schaffen vieler Autoren von gleicher Bedeutung und vielleicht gerade eine parallele Vorstellung von beiden Kunstauffassungen auf dieser Ausstellung weist auf einen intellektuellen Wert der Glasmaterie – der Materie der Einbildungskraft hin.

 

ZUZANA SVOBODOVÁ